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SoVD-Landesverband Bremen fordert Nachbesserung des Bundesteilhabegesetzes

Pressemeldung

Der Bremer Landesverband des Sozialverbands Deutschland (SoVD) unterstützt den Aufruf „Nachbesserung jetzt!“. Damit startet der SoVD einen Weckruf an die politisch Verantwortlichen, den momentanen Gesetzesentwurf zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) zu überarbeiten.

Der SoVD ist mit bundesweit rund 590 000 Mitgliedern in besonderer Weise für die Vertretung der Interessen (auch) behinderter Menschen verantwortlich und sieht sich in der Pflicht, eine Nachbesserung des Gesetzesentwurfs einzufordern.

„Positive Ansätze sind vorhanden, aber das Gesetz verfehlt im Moment noch seine ursprünglichen Ziele“, so Joachim Wittrien, 1. Vorsitzender des SoVD-Landesverbands Bremen, „wir wollen, dass diese einmalige Chance genutzt wird und bieten an, das Gesetzgebungsverfahren weiterhin im konstruktiven Dialog zu begleiten.“

Kritik übt der SoVD zum Beispiel am Vorhaben, die Eingliederungshilfe in die Gesetzgebungskompetenz der Länder zu geben sowie die Gruppe der leistungsberechtigten Personengruppen zu beschränken. „Zudem gehört insbesondere die vorgeschlagene Einkommens- und Vermögensanrechnung auf den Prüfstand. Wir halten an dem Ziel fest, dass Unterstützung wegen einer Behinderung im Sinne der UN-Behindertenkonvention auszugestalten ist, und fordern, dass sie unabhängig von Einkommen und Vermögen geleistet werden muss“, so Wittrien.

Henry Spradau, Sprecher des Sozialpolitischen Ausschusses beim SoVD-Landesverband erläutert die Hintergründe des Engagements: „Der SoVD ist Mitglied im Deutschen Behindertenrat und hat dort maßgeblich an der Entwicklung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) und insbesondere an dem jetzigen Aufruf mitgearbeitet. Dieser wird von einem breiten Verbändebündnis, bestehend aus Deutschem Behindertenrat, Fach- und Wohlfahrtsverbänden sowie DGB, getragen. Zum Kabinettsbeschluss vom 28. Juni dieses Jahres haben wir sechs Kernforderungen für ein neues BTGH aufgestellt, mit denen wir uns an die politisch Verantwortlichen wenden. Das Zeitfenster ist eng: Im September soll das Gesetz in erster Lesung im Bundestag beraten werden und bereits am 1. Januar 2017 in Kraft treten.“

Hintergrundinformationen zum Aufruf „Nachbesserung jetzt!“

Sechs Kernforderungen in Kurzform (Langform deutscherbehindertenrat.de)

1. Einschränkungen des leistungsberechtigten Personenkreises sind abzulehnen.

Da künftig ein dauerhafter Unterstützungsbedarf in fünf von neun Lebensbereichen nachgewiesen werden muss, drohen viele bisher Anspruchsberechtigte aus dem System herauszufallen. Auf diese Verschlechterung muss verzichtet werden.

2. Leistungsausschlüsse oder -einschränkungen sind unvertretbar.

Alle Leistungen, die dem Ziel der Teilhabe dienen, müssen uneingeschränkt erbracht werden; auch bei einer drohenden Behinderung oder wenn Folgen einer Behinderung nur gemildert werden oder wenn die Betroffenen, soweit es möglich ist, von Pflege unabhängig werden können. Ferner darf es keinen abschließenden Leistungskatalog oder Leistungslücken geben. Das Wunsch- und Wahlrecht muss vollumfänglich sichergestellt werden, einschließlich der freien Wahl von Wohnort und Wohnform. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ muss abgesichert werden.

3. Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen muss verbessert werden.

Die Leistungen aufgrund behinderungsbedingt notwendiger Aufwendungen stellen Nachteilsausgleiche im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention dar. Sie müssen unabhängig vom Einsatz von Einkommen und Vermögen erbracht werden. Wenn dies in einem Schritt nicht möglich sein sollte, ist ein verbindlicher Zeitplan zur Erreichung dieses Zieles erforderlich. Schon jetzt müssen die Anrechnungen in anderen Sozialleistungsbereichen angeglichen werden.

4. Der Grundsatz „Reha vor Rente“ muss durchgesetzt werden.

Menschen mit Behinderung, die sowohl Teilhabe- als auch Pflegeleistungen benötigen, müssen beide Leistungen gleichrangig nebeneinander erhalten. Der geplante Vorrang von Pflege wird nachdrücklich abgelehnt. Ferner muss der Gleichrang unabhängig davon gelten, ob jemand erwerbstätig ist oder nicht.

5. Verbesserungen in Teil 1 (Verfahrensrecht, Zusammenarbeit) und Teil 3 (Schwerbehindertenrecht) des SGB IX sind erforderlich.

In Teil 1 sind die Verfahrensregelungen für alle Reha-Träger verbindlich und umfassend neu zu regeln. In Teil 3 sind Veränderungen notwendig, u. a. hinsichtlich der Unwirksamkeit von Maßnahmen ohne Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung sowie der deutlichen Anhebung der Ausgleichsabgabe vor allem für Arbeitgeber, die ihrer Beschäftigungspflicht überhaupt nicht nachkommen.

6. Die Rechte der Betroffenen dürfen auch nicht indirekt beschnitten werden.

Durch die vorgesehene Trennung existenzsichernder Leistungen und Teilhabeleistungen besteht die Gefahr von Leistungslücken. Die Kosten der Unterkunft und des Lebensunterhalts sind auch weiterhin umfassend sicherzustellen.